Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Sebastian Kurz,
sehr geehrter Herr Außenminister Alexander Schallenberg,
das World Food Programme (WFP) der Vereinten Nationen ist dafür verantwortlich, weltweit Menschen in Hungergebieten mit lebensrettender Unterstützung zu versorgen. Dazu zählen Lebensmittel und Hygieneartikel. Österreichs Beitrag der letzten Jahre liegt hinter dem einiger armer Länder wie Sierra Leone. [1] Gerade jetzt, in Zeiten von Covid-19, ist die Unterstützung aber nochmals wichtiger, um schweres Leid und Hungertote zu vermeiden.
Das Menschenrecht auf Leben kann nur durch sofortige Unterstützung glaubhaft vertreten werden.
Andere Staaten beweisen, dass eine weitaus höhere Unterstützung möglich ist. Der Beitrag des kleineren Dänemarks im Jahr 2020 ist momentan 25 mal höher als der österreichische. [ebd.] In Medienberichten wurde wiederholt betont, Österreichs Regierung werde Flüchtlingen und Notleidenden „Hilfe vor Ort“ leisten – auch bezogen auf die Auswirkungen von Covid-19. [2] Diese ist nun dringend notwendig. Darüber hinaus hat Österreich sich im Rahmen der UN selbst zu Zahlungen verpflichtet (s. u.).
Wir fordern Sie daher auf, diese Versprechen einzuhalten und das World Food Programme unmittelbar mit einem angemessenen Beitrag von mindestens der Höhe Dänemarks zu unterstützen. Zudem muss gemeinsam mit Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit und einem Gremium weiterer Expertinnen und Experten spätestens bis nächstes Jahr ein Konzept entwickelt werden, wie Österreich seine globale Verantwortung dauerhaft auf allen Ebenen erfüllen kann.
Warum ist das wichtig?
Letztes Jahr wurden vom WFP unvorstellbare 97 Millionen Menschen in einer Notsituation erreicht. Die Lage hat sich dieses Jahr nochmals deutlich verschärft. Denn es wird geschätzt, dass weltweit 82 Prozent mehr Menschen als vor der Covid-19-Pandemie von Hunger bedroht sind. In Lateinamerika haben sich die Zahlen sogar verdreifacht. Das WFP warnt außerdem vor möglichen Hungerkatastrophen in Nigerien, im Sudan und im Jemen. [3]
Der Trend, dass Österreich das Programm nicht ausreichend finanziert, ist nicht neu. 2015 gab es im österreichischen Parlament den zaghaften Vorstoß, die Mittel zu erhöhen. Am Ende wurde nicht einmal die Hälfte des Vorschlags von 15 Millionen überwiesen, und danach sanken die Beiträge wiederum. [4][5] Nicht zu helfen bedeutet, bewusst noch mehr Hungertote in Kauf zu nehmen. Durch die momentan verschärfte Situation ist diese unterlassene Hilfeleistung dieses Mal aber besonders dramatisch!
Österreich hat sich wie andere Industriestaaten im Rahmen der Vereinten Nationen verpflichtet, 0,7 Prozent des Bruttonationalprodukts für die Entwicklungszusammenarbeit und Katastrophenhilfe zu verwenden. Real bezahlt Österreich viel weniger als die Hälfte davon [6].
Zusätzlich muss betont werden, dass Österreich zu den wirtschaftskräftigsten EU-Ländern zählt. [7] Mit den Möglichkeiten steigt die Verantwortung. Österreich kann nicht passiv bleiben, wenn - durch Covid-19 noch verstärkt - Menschen verhungern.
Quellen:
[1] https://www.wfp.org/funding/2019
[2] https://kurier.at/politik/ausland/kurz-warnt-vor-einem-grenzsturm/400775153
[3] https://insight.wfp.org/coronavirus-and-hunger-wfp-ready-to-assist-largest-number-of-people-ever-23aea919e87d (abgerufen am 10. September 2020)
[4] https://www.derstandard.at/story/2000022762627/un-lebensmittelhilfe-fuer-syrien-aus-oesterreich-wird-vervielfach
[5] https://www.wfp.org/funding/2015
[6] https://www.entwicklung.at/ada/oeffentliche-entwicklungshilfeleistungen
[7] https://www.statistik.at/wcm/idc/idcplg?IdcService=GET_PDF_FILE&RevisionSelectionMethod=LatestReleased&dDocName=021269
Weitere Links:
Hungerkarte des WFP:
https://www.wfp.org/publications/hunger-map-2020
Auswirkungen von Finanzierungslücken im April diesen Jahres:
https://kurier.at/politik/ausland/geldmangel-world-food-programme-muss-hilfe-fuer-jemen-halbieren/400810799
Profil-Artikel zu ausstehenden Zahlungen Österreichs 2014:
https://www.profil.at/oesterreich/entwicklungshilfe-beschaemende-bilanz-oesterreich-373392
Menschenrechtscharta der UN (1948): https://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf
Alle Links abgerufen am 14. September 2020.
Foto: EU Civil Protection and Humanitarian Aid