Der Amoklauf, die Morde, in Graz sind schrecklich und beispiellos in Österreich. Die Auf- und Verarbeitung dessen wird Zeit und Ressourcen brauchen. Die Gewalt und die Vorbedingungen, die der Tat mit zugrundeliegen sind, so wissen wir nicht erst seit zunehmenden Suspendierungen und (Cyber-)Mobbingfällen, leider nicht beispiellos. Auch diese gilt es zu sehen und - ruhig, kleinschrittig und fokussiert - zu verändern. Das Schulsystem aus der Kaiserzeit braucht, nicht nur angesichts der aktuellen Herausforderungen, eine grundlegende Reform.
In der heutigen Zeit braucht es andere Formen des Zusammenlebens, Lernens und Wachsens in der Schule - für alle Beteiligten und zum Wohle aller Kinder und ihrer Zukunft! Information ist ständig per Klick verfügbar, Empathie und Zeit füreinander sind es nicht und zunehmend weniger. Das muss sich ändern, wenn Bildung im 21. Jahrhundert weiter bilden, nicht ausbrennen soll. Separierung weniger Kinder und ein tägliches Aushalten dessen was ist, kann nicht die Lösung für die grundlegenden Strukturprobleme sein - auch nicht eine dreitätige Staatstrauer, nachdem es zum Äußersten kam. Die Ziele sind dabei prinzipiell, wie anwendungsorientiert bereits in der VN-Kinderrechts- und europäischen Menschenrechtskonvention sowie Sozialcharta für Erwachsene festgehalten. Denn es geht um ein Lernen voneinander, nicht um ein Wissen übergeben von Einem der weiß an Einen, der nicht weiß.
Es ist nicht die Aufgabe von Schule, in kurzer Zeit möglichst viele Begriffe und "Leitwerte" in Kinder und Erwachsene zu füllen, sondern einen Rahmen zu bieten, indem diese Begriffe und Werte erfahren werden können. Und hier gibt es sehr viel Luft nach oben, die anhand von orchestrierten Schritten gefüllt werden kann.
Die Forderungen sind dabei längst klar und liegen auf der Hand, werden von zahlreichen Akteur*innen spätestens, aber bei weitem nicht erst, seit Covid gefordert. Es geht um einen Ausbau von zuarbeitenden und koordinierten Lern- und Unterstützungssystemen - wie den Ausbau von Schulpsychologie und -arbeit, aber auch um die Öffnung des nach wie vor geschlossenen Systems in den Sozialraum und die Gemeinde -, es geht um praxisnahe und persönlichkeitsstärkende, fundierte psychosozial orientierte Aus- und Weiterbildung von Lehrer*innen und um ausfinanzierte, laufende Supervision, es geht um Peer*Projekte fach-/ klassen-/ jahrgangs- und schulübergreifend (angefangen in der Elementarbildung), die flächendeckend als Rahmen für ein Miteinander lernen auf Augenhöhe (auch im Bereich digitale Bildung und psychische Gesundheit), ausgerollt werden und es geht um das Ernstnehmen-können und Bearbeiten-können von Sorgen, Ängsten und Wünschen im Schulalltag und somit um befähigte und bedarfsorientierte Entscheidungsräume in den Schulen selbst.
Kurzum, es geht um Ressourcen, die nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden, wie das anderswo - insbesondere für große Konzerne und Überreiche - längst Standard ist. Denn den Idealismus, die Kompetenz und den Fokus bringen die Menschen vor Ort selbst mit, es ist die Struktur, die verhindert, dass Gutes zum Ausdruck kommen kann. Es geht um Mut und um ein ganzheitliches, informiertes und beziehungsorientiertes reformiertes Arbeiten, das Kinder, Lehrer*innen, Psychologie und (außerschulische) Sozialarbeit, Verwaltungspersonal, Hausdienste und Eltern auf Augenhöhe einbindet.
„Ein Kind ist kein Gefäß, das gefüllt, sondern ein Feuer, das entzündet werden will.“
– François Rabelais
Zumindest sollte Schule das Feuer, das in einem jeden Kind brennt, nicht löschen, sondern Zunder, Stein und Wasser zur Verfügung stellen, es zu nähren und zu regulieren. Es geht um unsere Kinder und deren Zukunft - sollte das nicht alles Geld dieser Erde wert sein? Wir rufen Sie dazu auf, sich dafür einzusetzen. Es braucht nicht noch viele Konzepte über Dinge, die ein jeder Mensch vor Ort weiß, und die - i.d.R. in einer Schublade verschwinden oder als Lorbeerblatt zum Gegenteil führen und dabei die Kompetenz der im Schulsystem jahrelang arbeitenden missachtet - es braucht echte und tiefgehende Beziehungsarbeit und Zusammenarbeit, für die Schule von heute und lebenswertes Leben von morgen.
Das fordern wir unter anderem (nicht erst seit heute):
- Verankerung des Rechts auf Bildung im Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern (BVG-Kinderrechte, 2011)
- Flächendeckende Ausfinanzierung von partizipativen Bildungsstrukturen und -systemen, die gewaltpräventiv wirken und dabei auf die volle Entfaltung der Persönlichkeit eines jeden Kindes abzielen
- Ausfinanzierte und laufende Supervision für Lehrkräfte, sowie grundlegende Ausrichtung auf psychosoziale, fächerübergreifende Kompetenzen in der Lehrer*innenbildung
- Befähigte regionale und örtliche Strukturen mit Entscheidungskompetenzen und Ressourcen zur fundierten Vernetzung und Zusammenarbeit
- Strukturierte und befähigte Vorgänge bei Mobbing oder Suspendierungen, die potenziell gefährdete Kinder in den Fokus nimmt und von ihnen her den Prozess gestalten